1. Brief vom 26. August 2000
Sehr geehrte Frau Dr. Fischer,
seit Sie im Amt sind und Verantwortung für bundesdeutsche Gesundheitspolitik
tragen, sind in Deutschland mindestens 200.000 Menschen an den Folgen des
Zigarettenrauchens gestorben.
Trotzdem darf die deutsche Tabakindustrie nach wie vor Milliardenbeträge
für die Werbung und Promotion von Zigaretten ausgeben - Geld das sie
von ihren Kunden, bzw. Opfern kassiert: Die heutige Generation finanziert
die Sucht, die Krankheiten und den Tod kommender Generationen.
Auf jeder Straßenecke sieht man immer noch Zigarettenwerbung.
Das Rauchen wird mit wirklich positiven Themen bewußt assoziiert:
Mit schönen, gesunden jungen Menschen, mit Freiheit und Abenteuer,
gesunder Natur, Umweltschutz, Anti-Rassismus, Witz und Humor, mit Cool-Sein
etc. Vor allem die Jugend - die nächste Generation von Kunden, wird
gezielt angesprochen und verführt.
Angesichts unseres heutigen Wissens, ist das ein Verbrechen - aber fast
alle schauen nur zu! Wahrscheinlich weil wir so daran gewöhnt sind.
Auch die Bundesregierung und Ihr Ministerium tun viel zu wenig.
Bei der vorherigen Regierung von Helmut Kohl konnte ich das verstehen:
Die CDU und deren Politiker haben große Zuwendungen und Spenden von
der Tabakindustrie bekommen. Mich würde es nicht wundern, wenn einige
der Spender, die den ehemaligen Bundeskanzler nicht nennen will, aus dieser
Ecke kommen. Das würde erklären, warum er sie nicht nennen will,
denn dann wäre klar, dass er die Finanzen seiner Partei und die Sicherung
seiner eigenen Macht vor die Gesundheit der Nation gestellt habe.
Bei Ihnen kann ich mir so etwas nicht vorstellen. Obwohl bei Bundeskanzler
Schröder bin ich mir nicht ganz so sicher.
Wir sind so sehr an Zigarettenwerbung gewöhnt, dass wir das Verbrechen,
das damit begangen wird, nicht erkennen - sonst wäre sie schon längst
verboten.
Betrachtet man die Allgegenwart von Zigaretten in der Werbung, bei der
Promotion von Sportveranstaltungen, in Zigarettenautomaten, und an jeder
Kasse von jedem Supermarkt, ist es kein Wunder, dass die Warnungen so wenig
Wirkung zeigen. Als bei mir die Bedeutung der Statistiken zum ersten Mal
nicht nur in den Kopf, sondern auch in den Bauch ankam, reagierte ich mit
dem Gefühl: "Das kann nicht wahr sein!" Dass etwas, das in fast jedem
Geschäft zu kaufen ist und mit Milliardenbeträgen durch Werbung
und Promotions-maßnahmen gefördert wird, allein in Deutschland
jedes Jahr mehr als 100.000 Menschen das Leben kostet.
Frau Fischer, Sie werden nichts daran ändern können, dass
auch nächstes Jahr über 100.000 Deutsche an die Folgen des Rauchens
sterben werden, weil es Menschen sein werden, die vor 20, 30 oder 40 Jahren
mit dem Rauchen angefangen haben. Aber als Bundesgesundheitsministerin
können Sie viel (viel mehr als bis jetzt) dazu betragen, dass es in
20, 30 oder 40 Jahren nicht immer noch so viele sind.
Es geht auch nicht nur um Deutschland. Wenn nichts - oder zuwenig -
gegen die Skrupellosigkeit der Tabakindustie gemacht wird, und sie weiterhin
Milliarden für die Promotion ihrer tödlichen Produkten ausgeben
darf, wird in den nächsten 20 - 30 Jahren die Zahl der Menschen die
jährlich an die Folgen des Rauchens sterben von jetzt 3 Millionen
auf 10 Millionen steigen (nach WHO).
Tabak ist eine gefährliche Droge, die süchtig und krank macht
und die jedes Jahr Millionen von Menschen tötet. Von den bisherigen
Maßnahmen zu urteilen, würde man das aber nicht ahnen.
Die Tabakindustrie dürfte überhaupt kein Pfennig für
Werbung oder Promotion ausgeben - und Basta!
Alle Zigarettenautomaten müssen von unseren Straßen verschwinden.
Der Verkauf von Tabakwaren müßte auf Tabakwarengeschäfte
beschränkt werden, wo allein Werbung erlaubt sein sollte. (Das sei
politisch undurchsetzbar, sagen Sie. Das mag im Moment wahr sein, aber
dann sollten wir daran arbeiten, dass es möglichst bald durchsetzbar
wird - es geht schließlich um mehr als 100.000 Totesopfer im Jahr
nur in Deutschland!).
Wir brauchen ein Gesetz, der die Tabakindustrie zwingt, Anti-Rauchen-Werbung
zu finanzieren in einem ähnlichen Maß wie sie heute noch Zigarettenwerbung
finanziert. Oder man finanziert sie mit einem Teil des Tabaksteuers. Es
wird sehr viel Werbungsaufwand benötigen, um das positive Image, das
die Tabakindustrie für das Rauchen geschaffen hat, zu korrigieren.
Ich könnte hier einige gute Ideen beitragen. Zum Beispiel:
Für das Rauchen gibt es nur 3 mögliche Erklärungen:
1. Ignoranz (man weiß nichts von seiner Gefährlichkeit)
2. Dummheit (man weiß von seiner Gefährlichkeit und raucht
trotzdem)
3. Sucht (man ist süchtig und nicht stark genug, um aufzuhören)
Oder wie wär's mit, "Detest the Pest!" (statt Test the West)?
Oder in einer Sprachblase bei einem Patienten auf der Krebsstation:
"Ich rauchte gern" ?
Ich würde Ihnen gern dabei helfen. Ich habe vor wenigen Jahren
meinen eigenen privaten Kampf gegen die Zigarettenwerbung geführt
(Siehe den deutschen Teil meiner Homepage), und würde ihn gern beruflich
oder nebenberuflich wieder aufnehmen.
Lassen Sie mich bitte nicht zu lange auf eine positive Antwort warten:
Jeden Tag sterben über 8000 Menschen weltweit an den Folgen des Rauchens.
Wenn wir nicht zu radikalen Maßnahmen gegen die Promotion und den
freien Verkauf von Zigaretten greifen, werden es in 20 Jahren vielleicht
das 3-fache sein!
Mit freundlichen Grüßen
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